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Farbe im Raum – Raum für Farbe

Zyanometer – eines der spannendsten „Farbmessgeräte“, die man sich vorstellen kann. 1789 hat der Schweizer Physiker de Saussure eine Skala aus 53 nummerierten Blautönen erfunden, um das Blau des Himmels auf seinen vielen Wanderungen durch die Alpen einzufangen, festzuhalten und zu vermessen. Der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt führte auf seinen langen Reisen nach Südamerika auch einen Zyanometer mit. Es gibt auch moderne Cyanometer, wie z.B.  der kreisrunde „Colour of Water“ von Spencer Finch, er zeigt in runder Anordnung 100 Pantone- Farbmuster für die Farben des Meeres. Diese Farbräder, so die Expertin und Buchautorin Alexandra Loske (Die Geschichte der Farbe), sind „gute Beispiele für die seit Jahrhunderten bestehende subtile Überschneidung von Kunst und Wissenschaft“. Gleichzeitig wird klar, dass es unmöglich ist, alle Farben der Natur zu erfassen. Die Cyanometer stehen für den menschlichen Willen, Farbe im Raum zu ordnen und konzeptionell zu verstehen.

Ursprünglich diente das Zyanometer dazu,
eine Verbindung zwischen Luftfeuchtigkeit,
Himmelsfarbe und Höhenmeter herzustellen.

Dieser farbhistorische kurze Abriss zeigt, dass Farbliebhaber schon immer den Raum und die Farbe versucht haben zu vermessen und ihn sich damit auch anzueignen. Um die Wirkung von Farbe zu verstehen, muss man ihr erst mal richtig nahekommen und den Blick auf Farbe in Nuancen schärfen. Denn wo ist der feine Unterschied zwischen hellblau, himmelblau, babyblau oder sky? Eine gute Übung ist das Cyanometer, denn allein den gezeigten 53 Blautönen ihre Unterschiedlichkeit zu geben und zu definieren ist Farbtheorie für Fortgeschrittene. Die deutsche Farb-Firma Caparol sagt über Blau: „Die Lieblingsfarbe der Deutschen – ein Highlight für die Wand". Von der Sehnsucht nach Blau in Oberflächen, auf Fassaden und im Raum. (…) Wie fühlt sich ein blauer Raum an? Schön frisch, kühl, transparent, luftig, ungemütlich, leicht, unpersönlich, weitend, schwer, angenehm, melancholisch, aktivierend, ruhig, tief, durchatmen, seriös, feierlich, nervend, edel, himmlisch, weit, ... (Quelle: Caparol.de)

Aber genau diese Sensibilität für die richtigen Auswahl der richtigen Töne, ob Außen- oder Innenbereich, ist für Designer und Architekten grundsätzlich sehr wichtig. Vor allem die Deutschen gehen an den Innenräumen immer noch eher sparsam mit Farbe um und setzen meist auf die neutrale Farbe Weiß. Ganz anders die Franzosen oder Engländer, die spielerisch oder elegant viele und opake Farbe einsetzen, harmonisch in Facetten durchdekliniert oder kontrastreich gekonnt. Der Umgang mit Farbe im Raum steht auf jeden Fall für Mut und Unangepasstheit. Es entstehen neue Raumtiefen, durch hintereinander gelagerte Farbkompositionen von hell und dunkel. Räume bekommen eine neue Bedeutung durch Farbe wie intime Privatheit, Zurückgezogenheit, Ruhe, Fröhlichkeit o.ä. Farbe im Raum bedeutet, den Raum in Farbe auch emotional zu vermessen und ihm seine Ausdehnung und seinen Charakter zu geben. Nur der geschärfte, wahrscheinlich auch geübte Blick, macht es möglich, dass die Farbliebhaber auch zum Skulpteur werden und Räume durch Farbe neue Dimensionen bekommen. Und dies mit oder ohne Cyanometer. Farbe umarmt den Raum und macht ihn persönlich.