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Der Abschied von Innen und Außen

Mit seinem Entwurf für den neuen Campus der Universität St. Gallen hebt Pascal Flammer Grenzen auf und lässt einen Bau entstehen, der in jeder Beziehung verbindet.

Steckbrief

Beruf Architekt und Designer
Ausbildung Studium Architektur und Design ETH Zürich, Universität Lausanne und Delft
Projekte In Europa und weltweit
Office Zürich
Gast-Professuren Universitäten Harward, Princeton, Oslo
Auszeichnungen Unter anderem Swiss Art Award, Weissenhof Architecture Award, Best Family, House Award Gewinner des Architektur-Wettbewerbs Universität St Gallen

Bildung spielt in St. Gallen, Schweiz, eine große Rolle. Die Universität gehört zu den anerkanntesten Wissensstandorten der Welt. Mit einem zweiten Campus soll nun neuer Raum für zusätzliche 3.000 Studierende und Mitarbeiter in Forschung und Lehre geschaffen werden. Gewinner des Wettbewerbs um die Gestaltung ist der Zürcher Architekt Pascal Flammer. Er beantwortet Fragen zu seinem Konzept und zum Verhältnis von Innen und Außen in der Architektur.

Die Universität St. Gallen verwirklicht einen zweiten Campus. Was macht diesen Standort so besonders?
Das „Haus im Park“ liegt, anders als der in den 60er Jahren erbaute Campus auf dem Rosenberg, mitten in der Stadt. Hier entsteht deshalb kein Raum für Studien und Vorlesungen, der Studierende und Professoren hermetisch von der Außenwelt abschließt. Stadt und Universität verschmelzen heute zu einem lebenden Organismus, zu einem Ganzen, das in jeder Beziehung neue Verbindungen schafft.

Offenheit und Transparenz sieht man Ihrem Entwurf auf den ersten Blick an. Was war Ihnen wichtig?
Wir wollen einen Raum schaffen, der das neue Verständnis von Universität deutlich macht: Ein hierarchieloser Austausch zwischen Studenten, Dozenten und natürlich auch den Bürgern der Stadt. Diesen Abschied von Grenzen spiegelt auch ein völlig neues räumliches Erlebnis wider. Man muss den Entwurf des neuen Campus nur mit dem Grundriss einer Universität aus früheren Jahrhunderten vergleichen. Von einem alles beherrschenden Zentrum – ob Halle oder Innenhof – gingen viele enge Flure ab, die zu einzelnen kleinen Räumen führten. Lernzellen quasi, die das Verhältnis Professor zu Student fühlbar machten. Zeiten wie diese sind nicht nur architektonisch von gestern. Heute stehen der offene Dialog und der Erfahrungsaustausch in jeder Beziehung im Mittelpunkt des Lernens vor Ort. Denn – auch das hat die Pandemie verändert – für die Vermittlung von reinen Lerninhalten reichen heute Online-Meetings oder Webcasts. Wissen mit anderen zu teilen, wird zu einer Lust, die alle verbindet. Der Campus der Universität und die Stadt liefern die Bühne dazu. Mit der Universität, aber auch mit Museen, Theatern etc. Die gesamte Stadt wird zu einem kulturellen Netzwerk für alle. Ohne Grenzen, ohne innen und außen.

Das Gebäude trägt den Namen „Haus im Park“. Gehört die Planung der Umgebung auch zu Ihren Aufgaben?
Auf jeden Fall. Denn auch sie ist Teil des Konzepts. Mit der Einbeziehung des Parks und der Umgebung wird eine visuelle Beziehung zum Stadtraum hergestellt. Ganz gleich, wo man im Gebäude steht, reicht ein Blick, um sich zu orientieren. Hier sehe ich dies, da das, dort den Dom. Die Verbindung zum Ganzen ist geschaffen.

Neben dem offensichtlichen Einsatz von Glas haben Sie Holz und Beton als Materialien gewählt. Warum diese beiden Additive?
Holz ist nicht nur ein Werkstoff, der unglaubliche Harmonie und Wärme ausstrahlt. Zudem reduziert das natürliche Material die CO2 Bilanz und unterstützt unser Vorhaben, ein klimaneutrales Gebäude zu errichten. Wo es Sinn macht, verwenden wir unverleimte Tanne bzw. verleimte Baubuche. Ergänzend kommt Beton hinzu, zu einem großen Prozentsatz aus Recyclingzement.

Die Offenheit des Gebäudes war ausschlaggebend für den Gewinn des Wettbewerbs, aber auch die Funktionalität hat sicher zum Erfolg beigetragen. Welche Ideen haben Sie verwirklicht? Welche Materialien haben Sie außer Holz, Glas und Beton noch verwendet? Zum Beispiel Fliesen in bestimmten Bereichen?
Natürlich setzen wir in den stark genutzten Bereichen allein aus hygienischen Gründen auf belastbare Materialien wie Keramik. Aber auch hier geht die Idee weiter. Den öffentlichen Charakter des Gebäudes wollen wir über die Materialwahl unterstreichen. Dazu werde ich mich auf die Suche nach historischen Fliesen begeben. Fliesen aus alten Villen und Stadthäusern können als „re-used“ Materialien ein zweites Leben führen. Als Fliesenteppich, der irgendwo außerhalb auf der Straße möglichst weit weg beginnt und in und durch das Gebäude führt. Diese Fliesen sind mit ihrem Material Ausdruck für Schönheit und Langlebigkeit, eine Erinnerung an alles, was unsere Gesellschaft und Herkunft ausmacht und ein Brückenschlag von der Vergangenheit in die Zukunft.

Apropos Zukunft. Auf welche städtebaulichen Veränderungen können wir uns freuen?
Die Stadt der Zukunft hat poröse Oberflächen. Das Regenwasser, das herunterfällt muss sofort am Ort in den Boden. Wir müssen den Asphalt möglichst aufbrechen und die Stadt zum Schwamm machen. Und wenn es mehr Grünflächen mit Bäumen und Sträuchern gibt, gelingt es, auch bei hohen Temperaturen ein angenehmes Stadtklima zu schaffen.

Sie haben bereits unzählige Preise und Auszeichnungen erhalten. Für öffentliche Gebäude, aber auch für privates Wohnen.Sie selbst wohnen mitten in der Natur in einem von Ihnen entworfenen und umgebauten Holzhaus (Stöckli genannt). Auch hier lassen Sie das Innere mit der Außenwelt verschmelzen. Gehört das zu Ihrem Konzept des privaten Wohnens?
Definitiv. Gerade im privaten Bereich will ich die Grenze zwischen Innen und Außen aufbrechen. Die Natur direkt ins Haus holen und den Menschen zum Teil der Landschaft zu machen!