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Der Boden der Tatsachen

Steckbrief

Name: Frank Huster
Ausbildung: Diplom Architektur TH Stuttgart, Massimo-Stipendiat
Tätigkeit: Design- und Architekturbüro mit Robert Hipp-Huster
Weiteres: Fachjournalistische und beratende Aktivitäten

Portrait_Huster_Architekt

Ganz gleich, in welcher räumlichen Situation wir uns befinden, ob in der Wohnung, am Arbeitsplatz oder im Stadtraum – wir sind immer von Materialien umgeben. Böden und Wände, Fassaden und Decken werden an ihrer Oberfläche, sofern es sich nicht um Sichtbeton handelt, mit Produkten veredelt, die wir nach ganz verschiedenen Kriterien auswählen. Eine stilvolle Optik und ein individuelles Design gehören ebenso dazu, wie höchste Ansprüche an Hygiene und die einfachen Möglichkeiten, Böden zu reinigen.

Tipps zur Entscheidung

Ob Inhaber, Architekt oder Planer: Entscheidungen beziehen sich auf das Design, die Farbe, die Haptik und die Eigenschaften des Materials selbst. Den späteren Bewohner einer Immobilie begleiten diese Entscheidungen eine lange Zeit.

Wird deshalb bei der Planung tatsächlich die Frage gestellt, ob man die Farben blau, orange oder ein bestimmtes Muster in wenigen Jahren nicht mehr sehen will? Ist man sich bewusst, dass der Kunststoffboden aufgrund seiner Zusammensetzung nicht wiederverwendet werden kann? War es klar, dass man nur schwere, gut wärmeleitende Materialien für Bodenheizungen und Kühlung verwenden kann, dass bei einem harten Belag auf schallkompensierende Maßnahmen an Decke und Wänden gemacht

Bei der Materialauswahl für die Ausstattung eines Raums sind also eine ganze Reihe von Einzelentscheidungen zu treffen.

Frank Huster

Einerseits ist die Palette der verfügbaren Produkte riesig, auf der anderen Seite stehen aber die Bedingungen des Objektes. Die Vorstellungen des Bewohners bzw. Inhabers müssen nicht nur bei der Investition, sondern immer mehr auch in der Nutzungsphase beachtet werden.

Beispiel Krankenhaus

Bei einem Gebäude des Gesundheitswesens, sei es eine Pflegeeinrichtung oder ein Krankenhaus, steht dem Bauherrn oder dem Planer ein anscheinend unbegrenztes Spektrum an Belagsmaterialien zur Verfügung.

Sicher, in der Cafeteria trägt ein Holzparkett ganz wesentlich zur gewünschten Atmosphäre bei. Der Nutzer fühlt sich wohl, Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Der Belag lässt sich während seiner langen Einsatzdauer mehrfach schleifen, versiegeln und ist dann wie neu. Der Aufwand dafür ist allerdings erheblich.

Die Kosten für das gesamte Gebäude wurden allerdings noch nie durch die Erstellungskosten allein definiert. Nicht umsonst diskutiert unsere Gesellschaft fortlaufend über steigende Kosten des Gesundheitswesens. Weitet man den Blick, stößt man sofort auf Fragen der Betriebs- und Unterhaltskosten. Was unsere Belagsfrage angeht, können wir vereinfacht von Pflege- und Reinigungsaufwand, für Desinfektion sprechen, von der Beständigkeit gegen die Verwendung findenden Mittel.

In den Zugängen, in Eingangsbereichen, in OP-Bereichen oder in den Sanitärräumen der Patientenzimmer findet man aufgrund der hohen hygienischen Ansprüche ohnehin keramische Lösungen: Fliesen, heute häufig im Großformat verlegt. Für alle anderen Bereiche werden Planer und Bauherren Belagsalternativen erörtern und sich den geschilderten Aufwand im Dauerbetrieb ansehen. Sie werden für alle Anschlüsse die in der Nutzung anfälligen Sockelbereiche diskutieren und die möglichen Alternativen bis hin zu ausgerundeten Lösungen bewerten: Wie oft muss ein Belag währen der Nutzungsdauer eines Gebäudes erneuert werden? Denkt man an Sanierungsmaßnahmen in solchen Gebäuden, stehen den Beteiligten die Haare zu Berge. Muss das sein, steht der Betrieb dann partiell oder insgesamt still?  Wirtschaftlich soll das Krankenhaus ja auch betrieben werden. Wie oft müssen Elemente des Gebäudes, betrachtet über seine gesamte Lebensdauer, überhaupt erneuert werden?

Die Nutzungsdauer der Beläge wird ein wichtiges Entscheidungskriterium sein.

Frank Huster

Es ist heute nicht mehr möglich, über die Materialauswahl am Bau ohne Betrachtung des gesamten Stoffkreislaufes zu entscheiden. Wo wird produziert, woher kommen die Rohstoffe? Was passiert mit den Materialien bei Austausch oder Abriss? Existieren Recycling-Konzepte oder kann z.B. ein mehrschichtig aufgebauter Kunststoff-Belag nur noch verbrannt werden? Und insgesamt: Wie wirkt die Summe unserer Entscheidungen der Erderwärmung und dem Klimawandel entgegen?

Beispiel Hotel

Die Versuchung ist groß und es ist naheliegend, auch hier auf einen Materialmix zu setzen. Der Weg von der verschneiten und verregneten Straße zum Empfang erfordert nicht nur hoch strapazierfähige, reinigungsfreundliche, sondern auch rutschhemmende, also trittsichere Bodenbeläge. Im unmittelbaren Umfeld, in einer Wartezone des Foyers vermittelt ein niederfloriger  Teppich Geborgenheit, absorbiert Schall und vermittelt Gelassenheit und Ruhe.

Anders ist das auf dem weiteren Weg über Flure bis in das Hotelzimmer. Liegt in diesem Raum ebenfalls ein Teppich? Vermittelt er Sauberkeit und Hygiene? Die geringste sichtbare Verschmutzung löst beim Besucher sofort Unbehagen aus. Wir kennen das.

Die geringste sichtbare Verschmutzung löst beim Besucher sofort Unbehagen aus.

Frank Huster

Als Planer steht mir für diese Bereiche eine Reihe von Belagsmaterialien zu Verfügung: Beläge aus natürlichen Materialien wie Holz, Keramik oder Kork, aus Kunststoffen wie Vinyl oder aus geschichteten Materialien (Laminaten). Vermitteln mir die beiden letzteren wirklich den Eindruck von Qualität und Atmosphäre? Erwarte ich im Hotelzimmer einen Korkboden – so ökologisch unbedenklich er auch sein mag? Habe ich den hier wichtigen Aspekt der Reinigung und Pflege bedacht? Rettungswege sind überall angezeigt, aber hat der Hotelier auch über das Brandverhalten der Werkstoffe nachgedacht?

Beispiel Wohnen

Natürlich gibt zum Wohnen verschiedene Beziehungen: Ist es der Investor, der Mieter oder der Eigentümer eines neuen Hauses oder einer neuen Wohnung, der die Entscheidung über die Materialauswahl trifft? Wie weit reicht der Entscheidungsspielraum, darf auch über Beläge auf Balkon oder Terrasse entschieden werden? In welcher Situation wir uns auch befinden, die Auswahl wird uns beschäftigen, wir wollen sie als spannend und aufregend erleben.

Die Auswahl

In unserer Wohnumgebung verbringen wir einen großen Teil unserer Lebenszeit. Wer ist wir? Außer uns auch kleine und große Kinder, Großeltern, Katze oder Hund? Dann sehen die Ansprüche an das, was uns umgibt, ganz anders aus als Wände neu zu streichen.

Boden- und Wandbeläge im Wohnzimmer, im Kinderzimmer oder im Bad wechseln? Ein Holzparkett kann ich, nicht ganz billig, abschleifen und neu versiegeln, einen Teppich, sofern ich mich für eine immanente Gemütlichkeit entschieden habe, alle paar Jahre erneuern. Will ich das? Muss ich das? Klar, je länger, je beständiger eine Oberfläche ist, desto länger umgibt sie mich, muss ich mit ihr leben.

Erinnern wir uns noch an die blau oder grün gefliesten Bäder der Großeltern? Vielleicht kommen dann ausgeprägte Muster oder starke Farben eher weniger infrage. Bei den vielen Wahlmöglichkeiten kommt hinzu, dass eine Holzstruktur heutzutage nicht mehr unbedingt an das eigentliche Material gebunden ist.

Sogenannte Designbeläge, Laminate aber auch Fliesen werden mit täuschend echten Oberflächen, von Holz bis Naturstein, angeboten.

Frank Huster

Sogenannte Designbeläge, Laminate aber auch Fliesen werden mit täuschend echten Oberflächen, von Holz bis Naturstein, angeboten. Selbstverständlich merken wir bei Benutzung unserer Sinne, worauf wir stehen, wie sich das anfühlt. Haben sich unsere Wertvorstellungen so verschoben, dass wir auf das Echte einfach so verzichten? Fast eine weltanschauliche Frage.

Und dann ist plötzlich der keramische Belag in den Wintermonaten fußwarm wie eine Holzdiele, die Überraschungen nehmen kein Ende. Die gute Wärmeleitung des schweren Belags in Verbindung mit einer darunter liegenden Flächenheizung gehört seit vielen Jahren zu unseren Standards. Eine solche Heizung kann, gut für die Umwelt, mit niedrigen Vorlauftemperaturen betrieben werden. Neuerdings können diese Systeme auch zur Kühlung genutzt werden, in Anbetracht der immer heißeren Sommermonate eine interessante Option.

Wie auch immer, wir dürfen aus der Vielfalt der angebotenen Materialien, ihren optischen, haptischen und funktionsbedingten Eigenschaften, wählen und die für uns richtige Entscheidung treffen. Aber nicht nur das. Zunehmend werden wir auch mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigen (müssen): Woher kommt das Material bzw. die Material-Kombination, gibt es einen zusätzlichen Pflegeaufwand, wie lange hält mein Belagsmaterial? Ein mehrfaches Entsorgen und die daraus folgende, notwendige Neubeschaffung verbessert unseren ökologischen Fußabdruck ganz bestimmt nicht.